PM vom 21.06.2024
Am Mittwoch den 19. Juni hat der RCDS eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit der Bundestagsabgeordneten Mareike Wulf mit dem Titel: „Identität auf dem Prüfstand: Selbstbestimmung ohne Grenzen?“ abgehalten. Aufgrund der hohen Sensibilität des Themas kam es dabei zu einem breiten Gegenprotest aus der Studierendenschaft. Infolgedessen haben sich die Veranstalter*innen dazu entschlossen, den Vortrag abzubrechen.
Aufgrund der weiten Behandlung des Vorfalls im gesellschaftlichen Diskurs sowie der großen Wichtigkeit der Thematik, möchten wir uns im Folgenden mit dem Vortrag auseinandersetzen.
Der Inhalt der Veranstaltung zielt insbesondere darauf ab, das Selbstbestimmungsgesetz als Problem und nicht als Teil einer Lösung darzustellen. Dabei werden bekannte Narrative wie etwa die Rolle von Transmenschen im Sport, Gefahren für Kinder und Jugendliche sowie Quotenregelungen, genutzt um das Gesetz sowie die dahinterstehenden Motive zu diskreditieren. Durch diese Darstellung und Formulierung werden transfeindliche Ressentiments geschürt und ein feindseliges gesellschaftliches Klima gegenüber Trans*-Menschen geschaffen. Dabei sollte insbesondere darauf hingewiesen werden, dass Interessenvertretungen wie etwa der Bundesverband Trans* sowie der Lesben- und Schwulen-Verband (LSVD) die hohe Wichtigkeit des Gesetzes für betroffene Menschen betonen, aber hinsichtlich der geschlechtlichen Selbstbestimmung von minderjährigen, geschäftsunfähigen und staatenlosen Personen weitere Nachbesserungen fordern.
Bemerkenswert sind im gesellschaftlichen Diskurs und der Selbstdarstellung der Veranstalter*innen vor allem die Aspekte der Wissenschaftlichkeit und des Framings als Diskussionsveranstaltung. Zum einen ist in der Behandlung des Themas durch die Veranstalter*innen keine evidenzbasierte Argumentationsgrundlage zu erkennen, zum anderen erscheint es doch sehr befremdlich, wie ein fruchtbarer Dialog durchgeführt werden möchte, wenn man keinen angemessenen Rahmen für Diskussionspartner*innen schafft. Dass es sich bei dem Vortrag wirklich um einen wissenschaftlichen Beitrag und eine Gelegenheit zur pluralistischen Diskussion handeln soll erscheint somit fraglich. Auch sollte man nicht nur über, sondern vor allem mit Menschen sprechen. Insbesondere bedarf es für eine Auseinandersetzung mit einem so hochsensiblen Thema eines gewissen Grundrespekts für die Menschen über die gesprochen werden soll sowie der nötigen Empathie. Beides lassen die Veranstalter*innen vermissen. Ein faktenbasierter, respektvoller und emphatischer Diskurs ist so nicht möglich. Es entsteht vielmehr der Eindruck die Veranstalter*innen wollten ihre politische Ideologie und Stimmungsmache auf dem Rücken einer vulnerablen Menschengruppe stattfinden lassen. So wird ein Keil zwischen gesellschaftliche Gruppen getrieben, Exklusion geschaffen und das gegenseitige Verständnis erodiert.
Beispielsweise durch das Unterzeichnen der „Charta der Vielfalt“ hat sich auch die Universität den Zielen der Chancengleichheit, Diversität und Antidiskriminierung verschrieben. Die durch die Veranstaltung transportierte Stimmung und die zugrundeliegende Ideologie stehen dabei im direkten Gegensatz zu diesen Zielen. Weiterhin muss in diesem Zusammenhang auch auf Art. 3 Abs. 3 GG verwiesen werden, in welchem Antidiskriminierung verfassungsrechtlich festgeschrieben und damit auch als gesellschaftliches Ziel ausformuliert ist. Vor diesem Hintergrund muss die Art der Auseinandersetzung mit der Thematik seitens der Veranstalter*innen kritisch betrachtet und begleitet werden.
Angesichts der zuvor dargestellten Kritik ist es sehr zu begrüßen, dass aus allen Teilen der Studierendenschaft ein breites Eintreten für Antidiskriminierung und die Rechte von Trans*-Personen zu sehen war. Die positive Signalwirkung einer solidarischen Gemeinschaft für Trans*-Personen an der Universität sehen wir positiv.
Weiterhin möchten wir hervorheben, dass der AStA solchen Gefährdungen für die Diversität an der Universität im Wege einer faktenbasierten Argumentation, sowie themenbezogenen Informations- und Bildungsangeboten begegnet ist und auch zukünftig begegnen wird.
„Das sich Trans*-Menschen angesichts der geschaffenen feindseligen Grundstimmung unwohl und mit Blick auf die zuletzt vermehrten gewalttätigen Übergriffe auch unsicher fühlen, ist wenig überraschend. Um dem entgegenzutreten hat der AStA einen Raum bereitgestellt, um diesen Menschen einen sicheren Ort und Gesellschaft zu bieten. Wir stehen entschieden hinter dem Ziel die Universität als diskriminierungsfreien Raum zu gewährleisten und einen Ort zu schaffen, an dem sich alle, frei von Übergriffen, sicher und wohl fühlen können. Aus diesem Grund besteht beim AStA seit langer Zeit eine Trans*-Beratung, um Trans*-Menschen zu unterstützen und ihnen die nötige Hilfe und Solidarität zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren veranstaltete der AStA am 19. Juni einen Informationsstand, um für die Selbstbestimmungsrechte der vulnerablen Gruppen als Teil der Studierendenschaft einzustehen. Wichtig ist für uns weiterhin: die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, umfasst dabei insbesondere aber auch Gegenreden und Kritik. Hierin findet sich die Essenz eines pluralistischen Diskurses.“ Jan Stefes – Vorsitzender des AStA der Universität Göttingen.
Abschließend möchten wir uns nochmals deutlich hinter die Diversität und Offenheit in der Universität und der Gesellschaft stellen. Respekt, Toleranz und Empathie stehen für uns im Mittelpunkt. Wir stehen solidarisch mit der LGBTIQ+-Community und setzen uns für deren Rechte ein. Trans*-Rechte und das Recht auf Selbstbestimmung sind Menschenrechte, dies galt in der Vergangenheit, dies gilt heute und das wird auch in der Zukunft so sein.