Offener Brief zu den Präsenzplänen im Sommersemester

Die letzten vier Semester waren für alle Studierenden schwer; dieser Einschätzung wird vermutlich niemand widersprechen. Die Erschwernis ergab sich sowohl aus der Notwendigkeit allgemeiner Onlinelehre mit all ihren Problemen als auch aus der Infektionsgefahr und der damit einhergehenden Einschränkung aller Lebensbereiche. Letzteres ist leider noch nicht überwunden, und statt einem Ende der Pandemie scheint sich bestenfalls eine Milderung abzuzeichnen. Dass früher oder später zu einem schlussendlich nicht ohne Willkür festzulegenden Zeitpunkt wieder in die Unterrichtsräume zurückgekehrt werden muss, ist unter diesen Verhältnissen unvermeidlich. Grundsätzlich ist es deshalb sehr erfreulich, dass die Uni Schritte einleitet, um im Sommersemester zu Präsenzlehre als Standardformat zurückzukehren. Der Wunsch nach Präsenzlehre ist in der Studierendenschaft, wie vermutlich in allen Statusgruppen, weit verbreitet. Die konkrete Ausgestaltung der geplanten Rückkehr zu Präsenz halten wir jedoch in einigen wichtigen Punkten für sehr problematisch und sehen dementsprechend dringenden Nachbesserungsbedarf.

Wir sehen die hohen und steigenden Infektionszahlen, wir sehen die hohe Auslastung des Campus Covid Screen, wir sehen die nach wie vor bestehende Gefährdung von Studierenden in Risikogruppen und von sehr alten und sehr jungen Angehörigen – und bei dieser Aussicht finden wir es unverständlich, dass die Maskenpflicht im Sommersemester wegfallen soll. Die Forschungsergebnisse unserer eigenen Universität haben deutlich gezeigt, wie außerordentlich wichtig FFP2-Masken als Infektionsschutzmaßnahme sind. Diese Maßnahme aufzuheben, wird für alle Studierenden eine erhöhte Infektionsgefahr und für eine beträchtliche Zahl an Studierenden die Unmöglichkeit des Studierens im kommenden Semester bedeuten. Nur selbst eine Maske zu tragen, hilft dabei lediglich begrenzt weiter, denn bei dauerhafter Präsenzlehre ohne Maske wird man ständig vor dem Risiko stehen, von infektiösen Personen umgeben zu sein. Wir als Studierendenschaft kritisieren deshalb die Entscheidung der Unileitung und fordern ein Beibehalten der Maskenpflicht, bis die Infektionslage oder die Ausstattung der Uni Räume mit Luftfiltern tatsächlich einen sicheren Präsenzbetrieb ohne Masken möglich machen. Diesbezüglich möchten wir die Unileitung auffordern, sich mit der Vertretung für Studierende mit Beeinträchtigung auszutauschen und deren Kritik sowie die Kritik vonseiten anderer studentischer Gremien ernst zu nehmen.

So sehr uns ein sicherer Präsenzbetrieb aber freuen würde, sehen wir die einseitige Abkehr von digitalen Lehr- und Lernmethoden doch als einen Fehler. Dass Onlinelehre keine angenehmen Studienbedingungen ermöglicht, ist auch unsere Auffassung; doch ein Präsenzplan, der vorsieht, einfach zum Stand von Sommer 2019 zurückzugehen, verschenkt eine Menge Potential. Denn die Onlinesemester haben auch Entwicklungen mit sich gebracht, die aus Studierendensicht außerordentlich sinnvoll sind: Die Möglichkeit zur asynchronen Teilnahme an Vorlesungen, das verstärkte Bereitstellen von digitalen Materialien, das Ausbauen der Kenntnisse und Methoden zur Nutzung digitaler Plattformen, um nur einige zu nennen. Gerade auch die zu diesem Zweck angeschaffte Technik sollte nicht einfach im Schrank verschwinden, sondern weiterhin sinnvoll genutzt werden. Den Übergang zur Präsenzlehre zu gestalten ist zweifellos wichtig, aber es muss tatsächlich ein Übergang sein; soll heißen, es muss diskutiert werden, was sich von den etablierten Online-Formaten bewährt hat und im Uni-Alltag parallel zur Wiederaufnahme des Präsenzbetriebs weiterhin fortgeführtwerden sollte. Das ist umso wichtiger im kommenden Semester, in dem eine Notwendigkeit zur erneuten Rücknahme der Präsenzlehre aufgrund neuer Virusvarianten eine sehr reale Möglichkeit bleibt. Alternativangebote und überhaupt hybride Formate aus Präsenz- und Onlinelehre ermöglichen hier erst das Maß an eigenverantwortlichem Handeln, das es braucht, damit wir uns alle gegenseitig schützen können (beispielsweise: Selbstquarantäne, Zuhause-Bleiben bei Krankheitssymptomen, usw.). Solche Formate können zum Beispiel beinhalten: Die Möglichkeit zur Teilnahme an Präsenzveranstaltungen per Videoübertragung, das Bereitstellen von Vorlesungen (und anderen Veranstaltungsformen ohne Studierendeninteraktion) als Aufzeichnung und Skript, die Option zum Nacharbeiten verpasster Präsenztermine etwa durch Übungsaufgaben. Es sollte weiterhin allen Studierenden (insbesondere auch jenen in Risikogruppen oder mit Bezugspersonen in Risikogruppen) möglich sein, von zu Hause aus sinnvoll an Veranstaltungen teilzunehmen, ohne sich und andere unnötigen Gefahren auszusetzen.

Des Weiteren ist die Informationsweitergabe an die Studierenden hinsichtlich der Präsenzpläne aus unserer Sicht nicht optimal. Außer einer Ankündigung im Uni-Newsletter hat die Unileitung keine Maßnahme zum Erreichen der Studierenden vorgesehen. Nun ist der Newsletter sicherlich ein nützliches Instrument, um über aktuelle Entwicklungen zu informieren, aber die Regelmäßigkeit, mit der der Großteil der Studierenden diesen Newsletter liest, sollte nicht überschätzt werden; zwar hat die Information die Mailpostfächer aller Studierenden erreicht, aber damit noch nicht alle Studierenden. Gerade für eine so außerordentlich wichtige Information sehen wir den Newsletter nicht als das geeignetste Medium, sondern betrachten das Versenden einer gesonderten E-Mail als sinnvoller. Sicherzustellen, dass alle Studierenden über die Pläne für das kommende Semester informiert sind, sollte hohe Priorität haben, denn viele der aktuellen Erst- bis Viertsemester haben aufgrund der allgemeinen Onlinelehre der letzten zwei Jahre bisher keinen Wohnort in Göttingen und sollten möglichst bald erfahren, dass sie sich um einen solchen kümmern müssen. Aufgrund dieser massiven Änderung des Studienalltags halten wir eine gesonderte E-Mail für mehr als gerechtfertigt, um das Thema noch mal abseits des Newsletters herauszustellen. So würden auch Studierende erreicht, die den Newsletter nicht (mehr) lesen. Es sollte außerdem überlegt werden, wie Studierende, die ihr Studium im Sommersemester erst aufnehmen, erreicht werden können.

Die genannten Maßnahmen sind aus unserer Sicht weder übermäßig aufwändig, noch stellen sie eine Einschränkung der geplanten Präsenzlehre dar. Die Maßnahmen würden jedoch der Sicherheit aller Studierenden sehr zugutekommen, Studierenden in Risikogruppen eine Möglichkeit zur Teilnahme im kommenden Semester bieten und die Lehre an unserer Universität dauerhaft verbessern.

Die Situation bleibt ernst, aus immer mehr Gründen. Auch die Studierendenschaft wünscht sich eine Wiederaufnahme der Präsenzlehre, aber wir sollten alle darauf vorbereitet sein, dass sich im Laufe dieses Jahres nicht alles gemäß der Pläne entwickeln wird, die jetzt zu Jahresbeginn gemacht werden. Wir fordern die Unileitung demgemäß auf, die Maskenpflicht bis zu einer tatsächlichen Entspannung der Infektionslage beizubehalten, hybride Lehrangebote weitestmöglich weiterzuführen und weitere Pläne zum Umgang mit der Pandemie in engem Austausch mit der Vertretung für Studierende mit Beeinträchtigung zuerarbeiten, um sicherstellen zu können, dass die Rückkehr zur Präsenzlehre tatsächlich für alle Studierenden einen Fortschritt darstellt.

Unterzeichnende
Fachgruppe Archäologie, Ägyptologie, Koptologie und Altorientalistik
Fachgruppe Biologie und Biodiversität
Fachgruppe Ethnologie
Basisgruppe/Fachgruppe Germanistik
Basisgruppe/Fachgruppe Geschichte
Fachgruppe Informatik
Fachgruppe Klassische Philologie
Fachgruppe Kunstgeschichte
Fachgruppe Mathematik
Fachgruppe Psychologie
Fachgruppe Romanistik
Fachgruppe Sport
Fachgruppe Weltliteratur
Fachschaftsrat Bio/Psycho/Biochemie
Fachschaftsrat Geologie/Geographie
Fachschaftsrat Philosophische Fakultät
Fachschaftsrat Sozialwissenschaften
Lehramtsstudierendenvertretung (LSV)