Auch wir sind von Entsetzen erfüllt über den Angriffskrieg der russischen Regierung gegen die Ukraine, über die Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung und über die erneut drohende Kriegsgefahr in Europa. Unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine, deren Wohnorte bombardiert werden und die vor der furchtbaren Entscheidung stehen, entweder ihr Leben im Kampf gegen eine Übermacht zu riskieren oder ins Ungewisse zu fliehen. Unsere Solidarität gilt auch den Protestierenden in Russland, die trotz massiver staatlicher Unterdrückung auf die Straße gehen, sich öffentlich gegen den Krieg bekennen und Putins Regime auf verschiedenste Weise die Kompliz:innenschaft verweigern.
Es ist schon viel darüber geschrieben worden, dass es in den letzten Jahrzehnten auch andere, nicht weniger verheerende Kriege gegeben hat, die sehr viel weniger Aufmerksamkeit bekamen, weil sie dem „Westen“ nicht so nah waren. Das ist kein Grund für eine Relativierung dieses Krieges; eher sollte es unseren Blick dafür schärfen, dass Krieg immer und überall eine Katastrophe ist und dass die Opfer von Kriegen immer und überall Solidarität und Unterstützung verdienen. Die wichtigste Maßnahme vonseiten der westeuropäischen Staaten ist es nun, sichere Fluchtrouten zu schaffen und allen fliehenden Menschen unterschiedslos sichere Aufnahme zu gewähren. Wir alle erfahren gerade, wie nah die Kriege dieses beginnenden Jahrhunderts an unsere Lebensrealität rücken können; die Konsequenz daraus kann nur darin bestehen, die Abschottung der europäischen Außengrenzen für Flüchtende endlich zu beenden und jene staats- und kulturgrenzenübergreifende Solidarität dauerhaft zu verankern, die wir jetzt gegenüber den Menschen in der Ukraine sehen und die wir nur allzu schnell selbst brauchen könnten.
Für uns Studierende sollte unser Leben in dieser Gesellschaft eigentlich erst am Anfang stehen, doch wir bekommen immer deutlicher den Eindruck, dass recht viel auf ein Ende zugeht. Das Zerfallen der selbstverständlichen Erwartung eines Lebens in Frieden, die Aussicht auf die katastrophalen Folgen der globalen Erwärmung, die immer gravierender werdende Dauerkrise des neoliberal-kapitalistischen Wirtschaftssystems, das Scheitern von Politik und Gesellschaft bereits am Umgang mit einer Pandemie, für die die sinnvollen Gegenmaßnahmen bereits nach kurzer Zeit bekannt waren – das alles gibt wenig Anlass zu Hoffnung. Zugleich sehen wir das Entstehen großer Bewegungen für Klimagerechtigkeit, gegen Kriege und Grenzen und für eine solidarische Organisation der Gesellschaft. Von solchen Bewegungen und denen, die noch entstehen, wird alles abhängen und auch wir als kleiner AStA einer Provinzstadt werden nach unseren begrenzten Möglichkeiten einen Teil dazu beitragen. Wir stellen uns gegen die Pläne, als Reaktion auf diesen Krieg die Bundeswehr aufzurüsten. Ganz abgesehen davon, dass die jetzt diskutierten Summen nicht die Ausstattung einer Verteidigungs-, sondern einer Angriffsarmee sind: Die angemessene Reaktion auf die Kriegsgefahr besteht in einem Überwinden der systemischen Ursachen von Kriegen und in echter Unterstützung für die demokratische Opposition in Russland, nicht in noch mehr Wettrüsten und Vorbereitung auf einen vermeintlich unvermeidlichen Weltkrieg. Wenn es keine Hoffnung auf Frieden und eine solidarische Zukunft mehr gibt, dann müssen wir eben aufhören bloß darauf zu hoffen und stattdessen selbst aktiv werden.